Firmen wie Privatmenschen schleppen oft über über Jahre Software mit sich herum, die – komme was wolle – weiterverwendet werden muss, aber auf aktuellen Systemen diverse Kniffe erfordert, um zu laufen. So erst kürzlich bei mir geschehen, nachdem mein Vater einen PC mit Windows 7 64bit erworben hatte.
Nicht-wirklich-Kompatibilitätsmodus
Da sich Windows 7 trotz Kompatibilitätsmodus standhaft dagegen stäubte, die alten Anwendungen auszuführen, fahndete ich nach alternativen Möglichkeiten. Letztlich landete ich ich beim mir bis dahin nicht bekannten XP-Modus unter Windows Virtual PC. Beides kann man bei Microsoft herunterladen und bekommt eine Lizenz inklusive.
Beachten sollte man den nicht allzu geringen Ressourcenverbrauch bzw. die Hardware-Anforderungen, etwa muss Hardware-gestützte Virtualisierung unterstützt werden. In meinem Fall genügt glücklicher Weise die eine Lizenz und die Leistung des 08/15-PCs ist für die Bedürfnisse meines Vaters mehr als reichlich bemessen.
Installation
Man installiere beides wie auf der Website angegeben, starte den Windows XP Modus, lege einen Benutzer mit Kennwort an und konfiguriere das System, etwa Computername, Arbeitsgruppe beziehungsweise Domäne. Zu guter letzt dort noch die problembehaftete Anwendung installieren, fertig.
Zugriff auf Windows 7-Ordner
Der Virtual PC nutzt seine eigene Verzeichnisstruktur, legt also Dateien lediglich in Unterordnern des VM-Images ab. Damit man nicht anschließend unter Windows 7 nach Dateien wühlen muss, bietet es sich an, benötigte Laufwerke/Ordner unter Windows 7 freizugeben und anschließend unter XP als Netzlaufwerk einzubinden, etwa per „Ausführen“ (Windows-Taste+R)->“cmd“->“net use z: \\windows7pc\c\“.
Nahtlos-Modus
Eine weitere Hürde war die an den PC gebundene Lizenz eines der Programme, dass sich trotz Änderung der Mac-Adresse und anderer Tricks nicht dazu überreden ließ, auf der VM als legale Version zu werkeln. Sich für ein Programm extra bei Windows XP anzumelden und immer wieder zwischen Windows 7 und XP hin- und herzuschalten, ist nicht praktikabel. Daher bietet sich der Seamless-Mode für die Problem-Anwendung an. Diese hatte ich bereits unter XP installiert. Nun fährt man XP einfach in den Bereitschaftsmodus und wählt im Windows 7-Startmenü die Anwendung, die mittlerweile dort aufgetaucht sein sollte. Diese lässt sich nun als „Virtuelle Anwendung“ ausführen, lediglich zu erkennen an dem Programmfenster in XP-Optik und einer geringfügig längeren Ladezeit.
Hintergrund – Der ewige K(r)ampf
Mitte der 90er, als ich meine Füße noch unter den Tisch meines Vaters ausdünstete, war der Preis für Kost und Logis unter anderem, den heimischen Admin zu mimen. Von jeher waren die parental gestellten Anforderungen an Soft- und Hardware weniger logischer Natur, sondern entsprangen dem täglichen Umfeld („Der Nachbar hat so einen Schneider CPC – wir brauchen auch einen …“) beziehungsweise waren durch Erfahrungen geprägt („Ich hab im Büro einen PC. Da läuft Dos/Windows/Office […] drauf. Außerdem hat der Nachbar jetzt auch einen. Also kaufen wir auch einen.“). Dazu gesellte sich recht spezielle Software, bedingt durch ein nicht allzu häufiges Hobby.
Andere Leute sammeln Briefmarken, mein Vater dagegen hat sich der Aerodynamik verschrieben. Was er früher mithilfe von Zeichenbrett, Taschenrechner und Holzschablonen, später vermittelst Amstrad CPC und Nadeldrucker und schließlich PCs mit CAD-Software und Tintenstrahlern realisierte, ist längst bei Mehrkernprozessoren, CNC-Fräsen und Kohlefaser-Kevlar-Konstrukten angelangt.
Doch egal, welche Plattform, solange ich denken kann erwiesen sich (und erweisen sich noch heute) die eingesetzten Programme als besondere Herausforderung – und begründeten damit wohl unter anderem meine bis heute andauernde Aversion gegen Fortran. Kein Wunder, denn die doch recht spezielle und in geringen Stückzahlen verbreitete Software erfährt lediglich alle Jubeljahre mal etwas an Pflege, und da die Lizenzen zudem eine nicht unerhebliche Investition darstellen, waren diverse Upgrades undenkbar.
Ehemalige Versuche
Prinzipiell konnte Windows NT alles nötige ausführen. Aber aufgrund von diversen Unzulänglichkeiten des Betriebssystems verursachte die Nutzung durch meinen alten Herrn auf Dauer einen nicht tragbaren Verwaltungsaufwand („Mein Computer läuft schon wieder nicht mehr“ – „Was hast du denn gemacht?“ – „ Nur die Auflösung geändert.“ – „Ohne Neustart? Ok, ich installier‘ es komplett neu …“)
Letztlich kam ich auf den Trichter, ein Dual-Boot-System mit OS/2 und Windows 95 einzurichten. Auf ersterem liefen seine Programme lange Zeit wunderbar und falls sich doch mal eines verabschiedete, konnte man es einfach so beenden.
Erst mit erscheinen von Windows XP schien die Geschichte ein Ende zu nehmen. Das war ziemlich bedienungsfreundlich und was die Kompatibilität betrifft – nun, eigentlich lag es nur zum Teil an XP: inzwischen gab es aber schlichtweg bessere Versionen der Problem-Programme.