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Bernd hilft – Warum Krisen selten Chancen sind!

von | Okt 30, 2020 | NETWAYS, Soziales

This entry is part 4 of 4 in the series Bernd hilft!

Das die aktuelle Stimmungslage aufgrund von COVID-19 (nachfolgende Generationen können sich vielleicht nicht mehr daran erinnern) nicht die Beste ist, ist wohl kein Geheimnis. Gerade Selbständige, Künstler und Kleinunternehmer außerhalb unserer IT-Blase leiden enorm unter den vorhandenen Einschränkungen und die Prognose für die kommenden Wochen ist nicht berauschend. Dem ein oder anderen, der es durch den ersten Lockdown geschafft, wird vermutlich bald die Luft ausgehen.

Mit dem Ausfall sämtlicher Events in diesem Jahr leiden wir mit unsere Event-Tochter enorm und es gibt keinen Tag, an dem ich mir keine Gedanken über die Firma, Mitarbeiter und die nähere Zukunft mache. Dabei haben wir noch das „Glück“, dass nur ein Teil unserer Unternehmensgruppe betroffen ist und wir dank unserer Kunden in den Bereichen Consulting, Shop und Web Services gut unterwegs sind.

Was man dieser Tage ständig hört sind Sätze wie „Wir kommen gestärkt aus der Krise“ oder „Die Krise ist für uns alle eine Chance“. Dabei muss ich immer an das Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ von Rolf Dobelli denken. Darin erklärt er relativ einfach, warum dies meistens ein Trugschluss ist und für die meisten ein unerfüllter Wunschtraum bleibt. Ich versuche mich, zugegeben etwas weniger wissenschaftlich, auch mal an dem Thema abzuarbeiten und aus meiner Sicht darzustellen, warum solche Aussagen meist nicht richtig sind. Hinzu ist die Betrachtung meist auch zu kurz gedacht und das stört mich eigentlich am meisten. Was stimmt also nicht mit solchen Aussagen?

Sie sind oft egoistisch

Warum? Erklär mal dem Besitzer einer kleinen italienischen Pizzeria, der gerade einen Teil seiner Belegschaft gekündigt hat, dass er gestärkt aus der Krise kommen wird. Vermutlich wird er dich direkt in den Pizzaofen schieben, da er vor Corona gut davon leben konnte, aber seine Ersparnisse schwer mehrere Monate Verdienstausfall überbrücken können. Vorausgesetzt er ist nicht der einzig überlebende Pizzahersteller im Ort, wird er danach nämlich auch nicht viel mehr verkaufen. Den Verlust der vergangenen Monate mit dem gesteigerten Absatz wieder reinzuholen ist hinzu besonders unwahrscheinlich.

Unabhängig von Pandemien geht das auch jedem Arbeitnehmer so, der seinen Job aufgrund Missmanagements oder schlechter Auftragslage verliert. Möglicherweise geht es dem Unternehmen danach wieder besser, aber er hat eben trotzdem keinen Job mehr.

Sie sind kurzsichtig

Selbstverständlich zwingen äußere Umstände oft in neue Lebens- und Arbeitssituationen, welche zuvor undenkbar gewesen wären. Vermutlich hat nichts in den letzten 10 Jahren die digitale Transformation so angeschoben, wie der letzte und kommende Lockdown. Haben viele bisher ihre Woche damit verbracht zwischen Deutschen Flughäfen ihr Unwesen zu treiben, hat man gelernt das es mit Jitsi, Zoom oder Telefon auch funktioniert. Das Unmögliche ist plötzlich möglich, weil es möglich sein muss.

Wer die richtige Umgebung zur Verfügung hat und sich kurzfristig auf Remotearbeit einstellen kann, dem bringt diese bspw. den Vorteil nicht jeden Tag in die Arbeit zu fahren. Gerade in der jetzigen Situation für viele ein Segen. Gleichzeitig haben diese Veränderungen aber auch negative Effekte, in die sich ein Großteil der Menschen nicht hineindenken möchte oder kann. Zunahme von häuslicher Gewalt und Depression wären kurzfristige Faktoren, ein sozialer Bruch in der Gesellschaft eben ein längerfristiger.

Ein Beispiel: Etwas das man einfach erkennen kann ist die Tatsache, dass der RandoLiefer-Bote (Name wurde von der Redaktion geändert) vermutlich nicht überbezahlt wird und zu der Gruppe von Menschen gehört, die sich nicht in den Status Remote begeben können.

Etwas schwieriger ist dabei jedoch zu erkennen, das ganze Märkte dabei zerstört werden. Letztendlich kann es sich nämlich bald keine Pizza-, Sushi- oder Burgerbude mehr leisten, dort nicht gelistet zu sein, da sie am Markt sonst unsichtbar sind. RandoLiefer wird wie Amazon beim Warenkauf zur Standardanlaufstelle für Essen zu Hause oder im Büro. In der Kette führt das dazu, das die Läden weniger Geld verdienen und in einer Spirale festsitzen. Sie müssen die kleinerer Marge hinnehmen, da sie nicht gut MIT aber auch nicht OHNE den Kunden der genannten Plattform leben können. Durch Preiserhöhung die Abgabe an den Markplatzbetreiber zu kompensieren geht leider nur in spezielle Bereichen, da der Mitbewerber enorm ist.

Immer dann, wenn Unternehmen zum Marktplatz werden und dann den Kundenstrom steuern bleiben viele auf der Strecke. Der Marketplace Anbieter bei Amazon schaut dann genau so in die Röhre, wie die kleine Pizzabude am Eck. So werden viele keine Gewinner nach der Krise sein, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht.

Sie sind meistens falsch

Zugegeben sind Punkt 1 und 2 eher von meiner Sozi-Einstellung geprägt, wenngleich ich der festen Meinung bin das es genauso ist. Ein Fakt und wissenschaftlich belegt ist jedoch, dass die getroffene Aussage „Wir kommen gestärkt aus der Krise“ tatsächlich meistens falsch ist. Die wissenschaftliche Untermauerung ist unter dem Begriff Survivorship Bias ausführlich dokumentiert. Nahezu auf jedem DevOps-Event werdet ihr vermutlich mal auf folgendes Bild gestoßen sein:

Im zweiten Weltkrieg hat man sich bei den vom Kampf zurückgekehrten Bombern mit den Einschusslöchern beschäftigt, um die Stellen für zukünftige Auseinandersetzungen besser zu panzern. Abraham Wald ist es zuzuschreiben, diesem Irrtum ein Ende gesetzt zu haben. Er kam nämlich auf die Idee, dass die kritischen Stellen auf den zurückgekehrten Bombern kaum zu finden sein, denn die Bomber mit Schwachstellen sind abgestürzt und nicht zurückgekehrt. Er behielt recht und es wurden die Stellen der Bomber besser gepanzert, die keine größere Zahl Einschusslöcher aufwiesen, jedoch in Wirklichkeit zum Absturz führten.

Das gleiche Prinzip oder sagen wir besser der gleiche Irrtum liegt der Aussage „Wir kommen gestärkt aus der Krise“ zu Grunde. Letztendlich redet einfach niemand über die „abgestürzten“. Wenn eine Branche in freiem Fall ist, wird niemand von all denen sprechen, die es nicht überlebt haben. Letztendlich wird der Branchenprimus womöglich überleben, aber die anderen schaffen es oft nicht. Das Gleiche gilt für Success-Stories von Unternehmen. Natürlich vermitteln diese einen guten Eindruck und hinterlassen den Gedanken das der Erfolg garantiert ist. Klar, macht schließlich auch niemand eine Success-Story über gescheiterte Projekte, auch wenn es die überall gibt. Auch Kundenumfragen schlagen in die gleiche Kerbe. Sie werden in der Regel immer eine positive Tendenz haben. Dem Kunden, dem du beruhigt den Rücken herunterrutschen kannst, wird sich kaum bemühen lassen, deine Umfrage auszufüllen.

Und jetzt?

Mit Sicherheit kann der ein oder andere Vorteile aus Krisen ziehen und geht gestärkt aus ihnen heraus. Verkäufer von Hygieneprodukten, Masken und Desinfektionslösungen würde ich da aktuelle eine hohe Chance zugestehen. Auch hat der ein oder andere mit Sicherheit schon davon profitiert, dass ein Marktbegleiter vor die Hunde ging und konnte so deutlich seinen Absatz steigern. Klar ist auch, dass man in Krisen nicht den Kopf in den Sand stecken darf. Gerade dann ist der „erfolgreicher“, der mit der Situation umzugehen gelernt hat, neue Produkte entwickelt und nicht dem womöglich toten Geschäftsmodell hinterhertrauert. Wer kann muss jetzt in die eigene Zukunft investieren, um dann sozusagen in der Pole-Position zu stehen. Survival of the Fittest ist natürlich auch ein marktwirtschaftlicher Bereinigungsprozess oder wie heißt es so schön: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“.

In den meisten Fällen jedoch führt es dazu, dass die Großen und Reichen noch größer und noch reicher werden. Für sie ist die Krise eine Chance die entsprechende Marktmacht auszubauen und auf dem Rücken von schwächeren noch mehr Geld zu verdienen. Letztendlich liegt es am Konsumenten, sein Essen selbst zu holen, beim Laden um die Ecke zu kaufen oder zu bestellen oder eben auch in Deutschland sein Kubernetes-Cluster zu starten – ZwinkerSmiley.

Ich befürchte zwar, dass uns Krisen (auch diese) meist nicht zu besseren Menschen machen, aber die Hoffnung stirbt niemals. Bleibt gesund!

Bernd Erk
Bernd Erk
CEO

Bernd ist Geschäftsführer der NETWAYS Gruppe und verantwortet die Strategie und das Tagesgeschäft. Bei NETWAYS kümmert er sich eigentlich um alles, was andere nicht machen wollen oder können (meistens eher wollen). Darüber hinaus startete er früher das wöchentliche Lexware-Backup, welches er nun endlich automatisiert hat. So investiert er seine ganze Energie in den Rest der Truppe und versucht für kollektives Glück zu sorgen. In seiner Freizeit macht er mit sinnlosen Ideen seine Frau verrückt und verbündet sich dafür mit seinen beiden Söhnen und seiner Tochter.

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