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Wie politisch darf, soll oder muss eine Firma sein?

von | Feb 21, 2017 | NETWAYS

Das ist eine Frage die mich seit einigen Wochen beschäftigt und mich nicht mehr loslässt. Der politische Umbruch den wir derzeit erleben, ist auch bei uns jeden Tag Gegenstand von Diskussionen und dafür bin ich auch dankbar. Bereits zweimal habe ich deshalb versucht meine Gedanken in Worte zu fassen, den Entwurf aber dann jedes Mal wieder verworfen.
Natürlich verzichten Firmen in der Regel nicht ohne Grund auf jede Art von politischer Positionierung. Geht es doch bei jeglicher Außendarstellung grundsätzlich darum, das Produkt, die Marke oder schlicht sich selbst in das richtige Licht zu setzen. Die Angst, dass jede noch so feine politische Nuance oder Aussage einen potentiellen Käufer vergrault ist viel zu groß. Und einen Kunden zu verlieren ist das Letzte was ein Unternehmen im Schilde führen kann. Wäre es dann eigentlich nicht viel einfacher und schlauer das Thema auszublenden, wenn es viel zu verlieren, aber kaum etwas zu gewinnen gibt?
Vielleicht. Aber jetzt wird es dennoch politisch. Warum?
Eigentlich kann ich es auf einen bestimmten Artikel von Sascha Lobo zurückführen, der mich vor einigen Wochen, aufgrund des nachfolgenden Gedankenexperiments, fasziniert hat. Er schreibt:

Wenn sich einhundert Menschen versammeln, und ein paar sind darunter, die murmeln Nazi-Zeug – das macht die restlichen 95 nicht zu Nazis. Aber wenn diese paar zum Beispiel anfangen würden, sichtbar Hakenkreuz-Fahnen zu hissen, dann kommt ein essenzieller Moment: Wie gehen die 95 mit den fünfen um? Akzeptiert die große Mehrheit diese Symbole unwidersprochen? Bleiben die fünf Teil der Gruppe? Ab einem bestimmten Punkt steht eine gehisste Fahne nicht mehr nur für die fünf, sondern kann oder muss als Absichtserklärung der gesamten Gruppe verstanden werden. So funktioniert politische Gruppendynamik: über Zustimmung, Schweigen und Abgrenzung. Und es gibt einen Moment, da wird Schweigen zur Zustimmung. Als würde man ohne Protest einer Fahne hinterherlaufen.

Genau die angesprochenen 95 Prozent machen mich nachdenklich und beantworten die anfangs des Kapitels gestellte Frage. Daß ein Schweigen in einer so wichtigen Angelegenheit zur Zustimmung wird, kann nicht in meinem, aber auch nicht unserem (NETWAYS) Interesse sein. Unsere Wertevorstellung zu verteidigen ist es mit Sicherheit wert, und somit sind wir letztendlich mindestens uns selbst schuldig die Komfortzone zu verlassen.
Eine Meinung haben reicht nicht aus
Jetzt nehmen wir digitalen Menschen ja immer für uns in Anspruch bestens aufgeklärt zu sein und natürlich beteiligen wir uns auch rege an der politischen Diskussion. Auch die Annahme, dass wir alle politikfaul geworden sind, stimmt nachgewiesenermaßen nicht.
Aber ist ein “Like“, “Fav“, “Retweet“ oder “Comment“ wirklich genug? Natürlich nicht, aber es ist eben unglaublich bequem. Warum auch nicht seinen politischen Gerechtigkeitssinn mit einem Facebook-Kommentar beruhigen. Macht schließlich nicht viel Arbeit, das eigene Gewissen ist beruhigt und die Zustimmung meiner Freunde tut letztendlich auch gut.
Problem dabei ist nur, dass wir uns in einer digitalen Blase befinden. Rekapituliere ich meine eigene Twitter-und Facebook-Timeline bin ich von Sozis, Freunden und ausschließlich lieben Menschen umgeben. Logisch eigentlich, denn alles was mich nicht interessiert blende ich bewußt oder unterbewußt aus und dann wird es in Summe eigentlich ganz erträglich. Und mal ehrlich, von Zustimmung umgeben zu sein ist einfach schlichtweg angenehmer als im Kreise permanenter Konfrontation.
Habt ihr Euch schon einmal dabei erwischt, wir ihr einen, sagen wir mal streitbaren Kommentar eines Bekannten oder Freundes gelesen habt? Der innere moralische Kompass fordert einen eigentlich wieder dazu auf, eine bestimmte Aussage nicht stehen zu lassen. Die Furcht, dass Fakten sowieso ignoriert werden und am Ende eine Partei beleidigt zurück bleibt hält uns dann am Ende von der eigenen Meinungsäußerung ab. Fazit: Eine wirkliche Auseinandersetzung findet kaum noch statt.
Orte wie einen Stammtisch, der Plattform für Streit und am Ende des Abends vielleicht sogar Konsens war, gibt es heute so kaum mehr. So schweigen wir, schalten das Smartphone ab, klappen den Computer zu oder knipsen den Fernseher aus. Irgendjemand wird es schon richten. Bloß keinen Ärger heraufbeschwören.
Was hat das mit NETWAYS zu tun
Wir haben jeden Tag mit Kunden, Kollegen, Lieferanten und somit hunderten von Menschen zu tun. Das ist ein Privileg für das wir sehr dankbar sind und mit diesem Blog haben wir zudem einen Kanal der es möglich macht öffentlich Stellung zu nehmen. Auch wenn Schweigen sicher einfacher wäre, bin ich – genau wie Lobo – fest davon überzeugt, dass es nicht richtig ist.
Wenn ich sehe, dass eine Partei wie die AfD nur schwer in der Lage ist, Herrn Höcke nach seiner Rede in Dresden am 17.01.2017 aus der Partei zu werfen, jedoch bei der aktuellen Sonntagsfrage 9% der Wähler für sich verbuchen kann; ja dann haben die restlichen 91%, also wir alle, das erst möglich gemacht.
Genau dann wird Schweigen zur Zustimmung und das kann, will und darf ich nicht zulassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir der Post negativ auf die Füße fällt ist zwar wesentlich größer als die Chance den Umsatz zu steigern, aber das ist es mir wert.
Denn ein menschenverachtendes Weltbild ist das, für das wir als NETWAYS nicht stehen können und wollen. Hier arbeiten Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kultur jeden Tag zusammen und genau diese Unterschiede spielen in der täglichen Arbeit überhaupt keine Rolle. Wir arbeiten, feiern, trinken und manchmal streiten wir auch, aber die gemeinsame Leidenschaft für das was wir tun verbindet uns.
In kleinen und großen Gruppen sind wir auf der ganzen Welt und in unterschiedlichsten Kulturkreisen unterwegs. Die Vorbehaltlosigkeit und das Interesse, welches uns überall entgegengebracht wird, hat auch jeder andere verdient. Und dafür stehen wir als Open Source Company in besonderem Maße.
Was hat das mit Euch zu tun?
Ich möchte jeden animieren sich aktiv für das einzusetzen woran er glaubt und was ihm am Herzen liegt. Vielleicht ist es manchmal schwierig, aber wir müssen auch im realen Leben wieder mehr für das einstehen was uns wichtig ist. Genauso wichtig ist es uns, daß ihr wisst für was wir stehen und was uns wichtig ist. Vielleicht kann nicht jeder unsere Meinung teilen oder das Bedürfnis sie mitzuteilen nachvollziehen, aber wenn sie jemanden inspiriert, so freut uns das.
Fazit
Wir akzeptieren nahezu bei jeder Veranstaltung einen “Code of Conduct“ und widersprechen somit jeglicher Diffamierung, Ausgrenzung und Beleidigung. Das ist wichtig und richtig, muss aber auch außerhalb der heilen Konferenzwelt Bestand haben. Nur jammern zählt nicht und gerade deshalb liegt es an uns allen, die behagliche Ecke hinter dem Computer zu verlassen und auch im echten Leben wieder aktiver zu werden. Meinungen wie die von Herrn Höcke dürfen nicht toleriert und durch Schweigen salonfähig gemacht werden.
Gerade in Zeiten wie diesen ist es umso wichtiger dies auch klar zu stellen. Und darum muss auch eine Firma manchmal politisch sein.

Bernd Erk
Bernd Erk
CEO

Bernd ist Geschäftsführer der NETWAYS Gruppe und verantwortet die Strategie und das Tagesgeschäft. Bei NETWAYS kümmert er sich eigentlich um alles, was andere nicht machen wollen oder können (meistens eher wollen). Darüber hinaus startete er früher das wöchentliche Lexware-Backup, welches er nun endlich automatisiert hat. So investiert er seine ganze Energie in den Rest der Truppe und versucht für kollektives Glück zu sorgen. In seiner Freizeit macht er mit sinnlosen Ideen seine Frau verrückt und verbündet sich dafür mit seinen beiden Söhnen und seiner Tochter.

3 Kommentare

  1. Christian

    Hallo Herr Erk,
    ich würde gerne mit Ihnen diskutieren, was Herr Höcke da, in Dresden, genau gesagt, weiterhin, bitte völlig unaufgeregt, gemeint haben mag.
    Mit der Kernaussage haben Sie Recht, weswegen ich mit diesem Kommentar zum Nachdenken anregen will.
    Sie haben völlig Recht, das nicht widersprechen einer (Nazi) Fahne wird als stumme Zustimmung gewertet. Andererseits muss man sich allerdings fragen, ob kein Widerspruch gegenüber jeder Diffamierung als Nazi nicht in die gleiche Richtung läuft. Von der anderen Seite, womit sich mir die Frage stellt: „Wie unbequem, wie provozierend darf Politik heute noch sein?“ [Anm.: Höcke wurde vom Vorwurf der Volksverhetzung frei gesprochen]. Ist es nicht eine Kerneigenschaft eines Politikers, dass er unter Umständen provozieren muss? Weshalb haben viele alte Männer eine politische Immunität beschlossen? Genau aus dem Grund, dass keiner Gruppe das tödliche Werkzeug des „Mundverbots“ an die Hand gelegt wird. Bescheuerterweise hat sich die BRD als erste Demokratie dieses Werkzeug über div. Nazi-Paragraphen selbst verordnet. Ich möchte das aufschlüsseln: Bescheuerter weise, weil es wohl keinen Rechtsextremen daran hindert diese Zeichen zu nutzen, zu ehren oder sonst etwas – es macht Sie im Gegenteil nur unsichtbar. Auf der anderen Seite haben wir damit und dem „was man nicht beim Namen sagen darf“ ein Damoklesschwert über der freien Rede, diese ist aber Grundbedingung dafür, dass eine Demokratie, die umgreifende Gesellschaft tatsächlich dies bleibt und nicht deutsch-demokratisch, in anderen Worten, von links oder Rechts faschistisch umstrukturiert wird.
    Gerne dürfen Sie per Mail auf mich zu kommen.

    Antworten
    • Bernd Erk

      Danke für die Rückmeldung. In der Tat kann ich auch ihre Argumentation nachvollziehen und häufig ist die Grenze zwischen „kritischer Betrachtung“ und „Nazi-Aussage“ nicht leicht zu ziehen.
      Persönlich bin ich der Meinung, dass die Grenze häufig durch Emotionen gezogen wird. Es darf und muss einen „besorgten Bürger“ geben können, aber wenn sich die Sorge in Hass und generelle Fremdenfeindlichkeit wandelt ist die Gesellschaft gefordert und der Gesetzgeber und die Gerichte haben hier in den letzten Jahren eine klare Grenze gezogen.
      Zum angesprochenen „Mundverbot“ habe ich eine andere Meinung. Nationalsozialistisches Gedankengut ist nicht grundsätzlich durch den Gesetzgeber eingeschränkt. Wer jedoch unsere Vergangenheit unter NS-Herrschaft gut heisst, stellt aus meiner Sicht eine Bedrohung für unsere gesellschaftliche Ordnung da. Vor allem aber steht er auch für die Einschränkung der Meinungsfreiheit, die er selbst gerne in Anspruch nehmen will.
      Bezüglich Herrn Höcke spreche ich nicht nur von der einen Aussage. Auch andere wie Herr Gauland, aber auch Politiker der CSU, rutschen sehr gerne mal in rhetorische Regionen ab, die aus meiner Sicht nicht zu tolerieren sind, wollen dann aber alles nicht so gemeint haben.
      Danke für das Feedback und ein schönes Wochenende
      Bernd Erk

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  1. Politisches Statement | invis Server Blog - […] Ich muss zugeben, dass dieser Beitrag fremd inspiriert ist. Daher erst mal meinen Dank an Bernd Erk und seinen…
  2. Wird auch mal Zeit, dass einer reagiert… › NETWAYS Blog - […] Dass unsere Gesellschaft es sich gut und gerne möglichst bequem macht hat Bernd schon hinreichend ausgeführt. […]

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